Die Inschrifttafel am Hütterhof

In Goethes berühmter Dramendichtung "Faust" 1. Teil wird zu Beginn der Gelehrte und Forscher Professor Dr. Faust nächtlich in seiner Studierstube gezeigt, wie er, von fanatischem Wissensdrang gequält, fast verzweifelt beim Bewusstsein, die letzten Geheimnisse der Natur und des ganzen Weltgeschehens doch nicht ergründen zu können. - Dies führt ihn sogar bis zu Selbstmordgedanken, die jedoch wieder zerstreut werden beim morgendlichen Klang der Osterglocken.

Im nächsten Bild, vor dem Stadttor, folgt der sonntägliche Osterspaziergang von Bürgern, Bürgersfrauen und Mädchen, Handwerksburschen und Soldaten. - Auch Faust erscheint mit seinem Begleiter Wagner und spaziert mit ihm zur Erholung zum nächsten Dorf. - Dort tanzt die bäuerliche Jugend unter einem Lindenbaum und Faust sagt beim Herankommen zu seinem Begleiter:

"Ich höre schon des Dorfes Getümmel;
Hier ist des Volkes wahrer Himmel;
Zufrieden jauchzt Groß und Klein;
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein".

Der zu seiner Zeit vielgefeierte Hofschauspieler am Wiener Burgtheater Adolf v. Sonnenthal kam mit etlichen seiner prominenten Kollegen in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts sommerlich gerne an den Grundlsee. Sonnenthal wohnte am Hütterhofe. Für ihn und teils auf seine Kosten, wurde der gedeckte Balkon mit Seeaussicht gebaut.

Als Geburtstagsgeschenk oder zur Vollendung des Balkons erhielt Sonnenthal von seinem beim Nachbarn Christer wohnenden Kollegen, dem Hofschauspieler Ernst Hartmann, die am Balkon befindliche Inschrifttafel mit den Worten: " Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein", die Sonnenthal oft auf der Bühne des Burgtheaters zu sprechen hatte.

Die Tafel dürfte kurz vor 1890 hergestellt worden sein und wurde von Hartmann in Amateurarbeit selbst gemalt. Die Schrift erinnert schon an den "Jugendstil" der Jahrhundertwende, wie sie damals bereits vom berühmten Münchner Maler Franz v. Stuck verwendet wurde und ist durch kleine Embleme ergänzt, die Hinweise auf sommerliche Erholung sind.

Mann mit BierkrugDas erste Bildchen zeigt einen Mann, der wohl Sonnenthal selbst ist, mit Bierkrug bei einem Tisch im Freien, als Hinweis auf erholsame Entspannung.

Adam und Evamit SchlangeDas zweite Bildchen zeigt Adam und Eva mit der Schlange, wohl als humorvolle Anspielung auf sommerliches Liebesgetändel.

ins Wasser springender MannDas dritte Bildchen präsentiert einen eben ins Wasser springenden Mann, Hinweis auf sommerlichen Sport.

 

Symbol des KomödiantentumsDas vierte und letzte Bildchen bringt die Symbole des Komödiantentums und der Schauspielkunst, zwei Masken mit Schellenhaube; ein davon herabhängender Arm mit Hand und ausgestrecktem Zeigefinger weist auf einen unten liegenden Stein, was nicht so leicht erklärbar erscheint. - Vielleicht soll es der "Stein der Weisen" sein, da ja nach mancher Ansicht Narren und Gaukler die höchste Weisheit besitzen sollen.

Ein Hinweis auf diese Inschrifttafel am Hütterhof findet sich in dem 1956 erschienen Buch "Das Ausseer Land" von Franz Hollwöger.

Die Tafel selbst wurde im August 1975 von der akad. Bildhauerin Ilse Pompe-Nierderführ renoviert.